Zyklus und Übergang

In den letzten Monaten schrieb ich oft von Zyklen, zyklischen Vorgängen und Vorstellungen. Heute möchte ich dazu nur ein paar Gedanken einstreuen und ein humorvolles Praxisbeispiel liefern.

Zyklus kommt aus dem Griechischen (kyklos) und bedeutet soviel wie „Kreis“ oder „Kreislauf“ und bezieht sich damit auf einen Vorgang, der partielle Veränderungen mit sich bringt, dabei aber immer wieder zu seinem Ausgangs- bzw. Anfangspunkt zurückkehrt.

Damit spielen zyklische Vorstellungen und Bilder besonders in traditionalen Kulturen eine zentrale Rolle: Im steten Kreislauf aller Dinge entsteht aus dem Ende eine neue Frucht, die zur Reife kommt, sich von jenem ablöst, das sie hervorgebracht hat, um dann wiederum die Voraussetzung für etwas Neues zu werden. Auf diese Weise ergibt sich ein ewiger Übergang vom Alten zum Neuen.

Um jetzt ein wenig von der Theorie in die Praxis zu kommen sei erwähnt, dass ich letztes Jahr wieder angefangen habe selber Met zu machen. Über die Jahre habe ich zwischendurch eigentlich immer mal den einen oder anderen Gärballon angesetzt, bis ich vor einiger Zeit nicht mehr so richtig Lust dazu hatte. Nun haben wir hier bei uns auf dem Land überall gute Imker – und vielleicht gab es dabei so eine Art Schlüsselmoment. Jedenfalls kam mir passend dazu eine Idee, wie ich den Met in unserem Erdkeller am Besten aufbewahre. Und so begann ich von der Sommersonnenwende 2023 an in jedem Jahresabschnitt eine Gärung Honigwein anzusetzen, so dass ich jetzt zur Sommersonnenwende 2024 exakt einen Jahreszyklus abgeschlossen habe.

Und das sieht dann so aus…

Zeitlich mit dem neuen Sonnwend-Met 2024
Davor wurde der Frühlings-Met 2024 abgefüllt
Vor dem Frühling liegt der Winter, somit der Wintersonnwend-Met 2023
Davor liegt der Herbst-Met 2023
Und der Zyklus beginnt mit dem Sommersonwend-Met 2023

Diese kleine Anekdote mit einem humorvollen Augenzwinkern. Denn zugegeben… ich hatte das ursprünglich gar nicht vor gehabt. Hat sich einfach so ergeben. Doch um so besser. Meine Frau fragte mich allerdings, wer das denn alles trinken soll… Da wird mir sicher auch noch eine Idee kommen.

Und apropos Erdkeller und Met – direkt neben den Kisten wacht kein geringerer als…

Der Wanderer im blauen Gewand.

Mittsommer

Mit der Sommersonnenwende ist der solare Höhepunkt erreicht – Licht und Wärme in Hülle und Fülle. Und auch wenn die sommerlichen Temperaturen erst noch so richtig bevorstehen, ist die Sommersonnenwende als längster Tag ein Wendepunkt. Drei Runen passen gut dazu.

Die drei Runen Dagaz, Othala und Fehu umreißen das Geschehen: Dagaz steht für die Sonnenwende selbst. Dagaz symbolisiert den flüchtigen Charakter des Festes: Die Sonnenwende ist eine Übergangszeit, genauso wie die Dämmerung, die die Nacht vom Tag trennt. Sie ist auch eine Schwelle nach deren Überschreitung die Tage kürzer werden. Das Land (Othala) steht in Blüte und Reife und ist fruchtbar (Fehu). Fehu steht aber auch für eine Polarisation zwischen Werden und Vergehen, auch hier das Symbol des Übergangs. Das Wachstum ist an seinem Höhepunkt angekommen, es herrscht Fülle und Reife.

Es ist einfach schön: Licht und Helligkeit sind allgegenwärtig. Von der frühen Morgenstunde bis in den späten Abend beherrschen Farben und Vielfalt den Tagesablauf.

Begrüßung der hellen Jahreshälfte

Hohe Asen und Vanen, hohe heilige Götter
euch sei zu Ehren erhoben dieses Horn,
den Bund zu stärken und mit Kraft zu erfüllen.

AR OK FRIDR

Odin und Frigg
Tuisto und Jörd
Freyr und Freyja
Thor und Sif
Balder und Nanna
Bragi und Idun
Loki und Sigyn

AR OK FRIDR

Delling, Forseti, Heimdall, Hermod, Hödr, Hönir, Lodur, Mani, Óðr, Ullr, Vali, Vidar

AR OK FRIDR

Eir, Fulla, Gefion, Gna, Hel, Hlin, Hnoß, Lofn, Ostara, Ran, Saga, Skadi, Sunna, Syn, Thrud, Var, Vör

Euch sei zu Ehren erhoben dieses Horn,
den Bund zu stärken und mit Kraft zu erfüllen.

AR OK FRIDR

Erde (2)

Freyja und Freyr prägen das edle Antlitz des frühlingsgrünen Waldes, der vom Waldboden über die mächtigen Stämme bis zum Himmel vor aufstrebender Frische und Fruchtbarkeit strotzt.

Blick in den frühlingsgrünen Wald

Dabei ist Freyja ihrer Herkunft nach eine Wanin und als solche eine bedeutende Fruchtbarkeitsgöttin. Zudem ist sie auch die Lehrerin der Magie, die sie zu den Asen bringt (Ynglinga saga 4). Auch ihr Bruder Freyr stammt aus der Götterfamilie der Wanen und teilt die Eigenschaft der Fruchtbarkeit, doch ist darüber hinaus auch als Gott des Frühlings und Sommers bekannt.

Freyr ist der berühmteste unter den Asen. Er herrscht über Regen und Sonnenschein und das Wachstum der Erde und ihn soll man anrufen um ein gutes Jahr und Frieden. Er herrscht auch über das Reichtumsglück der Menschen.
   [Gylfaginning 24]

Es ist besonders schön den Wald im Frühling zu beobachten. Der dunkle und vielleicht auch gerade aufgetaute Erdboden färbt sich langsam in ein sattes Grün. Und über den Baumkronen strahlt der wechselhafte Himmel… Tyr in seiner ursprünglichen Funktion als Gott des taghellen Himmels breitet sein Gewand aus. Er wird abgelöst von dem Wanderer, der schon während des Tages im weiten Wald unterwegs ist. Gen Abend breitet er seinen tiefblauen Mantel aus und hüllt die Welt in Farben, durch die nur der Vollmond dringt. Frühling, Eis und Hagel – Sól und Máni – und Skidbladnir in Verbindung von Schiff und Sonne im steten Wechsel zwischen Erde und Himmel. Dies prägt die Zeit des Sigrblóts, mit dem der Erdzyklus in Richtung Sonne wechselt. Eine wundervolle und kraftvolle Zeit.